Who is remembering?

A journey to find an author

Wer erinnert sich?

Eine suche nach dem:der Autor:in

Walking through Berlin Schöneberg, one might not only stumble over golden „Stolpersteine“ on the ground, remembering the citizens that lived here and were murdered during Holocaust. Someone might have found it not enough to only remember their names but wrote down their stories and pinned them on the walls next to the stones.

Who is that someone? Who put the extra effort in remembering the people and giving a biography to the inscribed names? A survivor or witness? A neighbour? Or is it a group of people? An official initiative?

A journey to find the author(s) and their motivation begins…

Auf einem Spaziergang durch Berlin Schöneberg stolpert man nicht einfach nur über Stolpersteine auf dem Boden, die an die im Holocaust ermordeten Nachbar:innen erinnern. Jemand schien es nicht ausreichend gefunden zu haben, sich nur die Namen ins Gedächtnis zu rufen und hat auch ihre Geschichten aufgeschrieben und zu den Steinen dazu gehängt.

Wer ist diese:r „Jemand“? Wer macht sich die extra Mühe, an die Menschen zu erinnern und ihnen in Stein gravierten Namen eine Biografie hinzuzufügen? Oder ist es vielleicht eine Gruppe? Eine offizielle Initiative?

Die Suche nach dem/den Autor:in(nen) beginnt…

… but who is this person?
Or was it an initiative?
Someone official or private?
The challenge is to figure out the person and motivation behind this “extra” piece of remembrance.

… Aber wer ist diese Person?
Oder ist es eine Initiative?
Jemand offizielles oder eine Privatperson?
Die Aufgabe ist es, die Person(en) ausfindig zu machen und ihre motivation für dieses “Extra” für die Erinnerung.

We are sitting in the office, two cups of coffee in front of us. Opposite of me, a young women, 27 years old. A student of social work, She started studying arts - fine arts and arts in public spaces – but switched for a bachelor in social work. She has lived in Schöneberg for 3 years. She tells me her story and reasons for writing down the biographies, why some people take them down and how to best fix paper on to building walls...

Wir sitzen im Büro, zwei dampfende Tassen Kaffee vor uns. Gegenüber von mir, eine junge Frau, 27 Jahre alt, die ihr Studium in bildender Kunst und Kunst im öffentlichen Raum gegen einen Bachelor in sozialer Arbeit eingetauscht hat. Sie lebt in Schöneberg, seit drei Jahren und erzählt mir, warum und wie sie die Biografien aufhängt, wie man am besten Papier an Hauswänden befestigt und warum manche Leute sie wieder abhängen...

Interview mit der Verfasserin

Interview with the author

ich finde auch, dass die Stolpersteine schaffen, dass die so einer Zahl von sechs Millionen, dass jetzt quasi nicht mehr nur die Zahl da steht, sondern einzelne Individuen, die betroffen sind. Ich habe das Gefühl, dass Menschen immer nur diese Zahl von 6 Millionen im Kopf haben, aber die einzelnen Schicksale nicht ganz nachempfinden können. Aber ich hoffe einfach, dass ich sie ein bisschen sensibilisieren kann, dass das Vergessen einfach nicht eintritt ein bisschen Erinnerungsarbeit zu leisten.
Ja, da ist so eine Bar bei der Hauptstraße, da habe ich das hingehangen und dann haben die das, ich ich glaube, auch zweimal abgerissen und beim dritten Mal ist es neu geschrieben habe, ist der Besitzer gekommen und meinte: 'bitte mach das woanders hin. Die Leute denken 'Nie wieder' heißt: 'Ich möchte nie wieder in diese Bar gehen.' Das ist total doof, weil, dann lest das doch einfach!
Das war so, dass ich quasi seit dem in Berlin wohne. Wo ich herkomme, gibt es keine Stolpersteine. Ich komme aus dem Dorf und ich kannte Stolpersteine. Ich habe die eigentlich nie gesehen. Und seit dem ich in Berlin bin, mache ich immer Fotos davon und google die Geschichte. Ich weiß, dass das viele Personen nicht machen, weil der Alltag zu stressig ist. Auch wenn es sie interessieren würde oder nicht wüssten, dass die Geschichten online zu finden sind. Und dann ist mir was passiert: Da bin ich nicht in der Feurigstraße spazieren gegangen. Da [ist] ein Stolperstein, verlegt mit einem Namen und am Geburtstag dieser Person hat jemand einen Zettel aufgehängt und die Biografie aufgeschrieben. Und das fand ich so gut, dass ich dachte Das muss irgendwie. Es muss öfter geschehen und es muss vor allem irgendwie haltbar gemacht werden. Und dann hat mir sofort ein Laminirgerät bestellt und nächsten Tag angefangen. Und so hat das Ganze irgendwie angefangen und dann habe ich langsam angefangen und pro Tag ungefähr zwei Teil Biographien verfasst. Es wurden dann immer mehr. Irgendwann war ich richtig in der Sache drin, dann hab ich pro Tag ungefähr zehn diese Steckbriefe geschrieben und ja.
Es war auch bequemer das in Schöneberg zu machen. Ich kenne mich hier aus, ich kenne die Straßen, ich sehe die Stolpersteine jeden Tag. Und dann dachte ich, das ist eine ganz gute Möglichkeit. Ich weiß auch, dass die Menschen in Schöneberg relativ aufgeschlossen dem gegenüber sind und das Schöneberg allgemein sehr viel Erinnerungsarbeit leistet. Also ich glaube es ist schon überdurchschnittlich viel, was hier angeboten wird, wenn es um das jüdische Leben und über den Holocaust geht. ich hab auch am Hackeschen Markt tatsächlich, weil ich dachte, dass da so viele Touristen sind, die vielleicht neben Shoppen noch mal ein bisschen lesen wollen. Es bietet sich auch an die ganze Geschichte des Hackeschen Markts ist relativ interessant in Bezug auf das jüdische Leben und den Holocaust und deswegen habe ich da die Biografien auch aufgehängt. Die wurden fast alle weggerissen.
Das habe ich am Anfang ganz viel gemacht. Und ich habe die teilweise dreimal neu geschrieben, weil die immer weggerissen wurden. Ich hab anfangs angefangen mit Klebeband - also Klebeband: das war ein extra spezieller Tesa, der angeblich auch Autoteile zusammenhält - und habe die dann an die Hauswand gemacht und dann wurden die immer abgerissen. Das war ein Haus in der Akazienstraße, da war ich ziemlich sauer, weil ich das ungefähr fünf mal schreiben musste. Im Endeffekt hab ich das dann drangenagelt, drangetackert und geklebt und es war trotzdem weg und dann dachte ich: "Okay, du hast gewonnen." Ich meine, das ist keine Hausgemeinschaft, die das macht, es ist eine Person, schätze ich mal. Und wenn die das nicht möchte, dann muss ich das auch respektieren.
Interviewer:in: Also du weiß ich auch nicht , wer die Abgerissen hat?
Verfasserin: Nee, leider nicht.
Also es sind ganz viele nicht begeistert davon. Vor allem wenn ich dann anfange. Also ich hab mir dieses Klebeband gekauft - das ist nicht ganz billig - und da steht online, dass es auch Autoteile zusammen hält. Dann habe ich irgendwann gemerkt, dass es nicht hält, das ist einfach von der Hauswand abgeht und ich war super enttäuscht, weil ich schon über hundert dieser Steckbriefe aufgehängt habe und gemerkt haben, die fallen alle ab. Also bin ich losgezogen und habe so ein Tacker-Gerät gekauft und hab die an die Hauswand getackert und wenn das nicht geklappt hat, habe ich es da reingenagelt. Und da waren die Leute nicht so begeistert. Ganz oft wurde mir die Polizei angedroht und teilweise, wenn sie erfahren haben was ich tue, war es vollkommen okay und die fanden es super. Und teilweise war es eben anders und sie meinten: "ich ruf jetzt die Polizei" und: "Das geht so nicht." Aber es ist, weiß ich nicht, ich finde, die Häuser, die haben schon teilweise 2 Weltkriege - nicht überlebt, aber mitgemacht. Und da finde ich, sind 4 Löcher in der Hauswand jetzt nicht so schlimm.
Anfangs habe ich das tatsächlich nachts gemacht, weil ich diesen Tesa nicht hatte und alles in die Hauswand gehämmert haben. Und dann hab ich gemerkt, dass ganz viele Menschen wach geworden sind davon und dann hat mir das super Leid getan und dann habe ich das tagsüber gemacht.
Interviewer:in: Und seit wann machst du das?
Seit dem Lockdown.
Interviewer:in: Ach so neu erst. Ach Krass.
Seit Mai, glaub ich. Seit dem ersten Lockdown.
Interviewer:in: Ach das ist ja cool. Und was du noch weitere damit?
Ich muss sagen, ich war sehr deprimiert, weil ich habe alles mit Tinte geschrieben, also mit Füller. Dann habe ich gemerkt, dass das alles ausbleicht. Ich hätte auch drauf kommen können, aber es ist mir einfach nicht gekommen. Dann war ich so deprimiert, auch weil alles abgefallen ist, dass ich dachte, ich brauche eine Pause. Und jetzt bin ich, glaube ich, dabei, alles zu erneuern. Also ich schreibe einfach alles nochmal neu, glaube ich. Was jetzt nicht mehr sichtbar ist, schreibe ich nochmal auf.
Ich mache das, also ich schreibe alleine, ich laminiere alleine und meistens laufe ich auch alleine und hänge das an. Meine Freundin und ihre Schwester kommen teilweise noch mit und laufen mit. Ihre Schwester läuft immer 3 Meter weiter, weil die ein bisschen Angst hat, dass es Ärger gibt. Aber genau, das war es eigentlich.
Interviewer:in: Ist es ansonsten ein Geheimnis, dass du das machst?
Nee, ein Geheimnis ist es nicht, aber ich möchte nicht - das klingt jetzt doof, aber - ich bin nicht darauf aus, dass Personen das mit mir identifizieren, sondern es ist einfach ein Projekt, das ich mache. Und mein Name muss auch nirgendwo stehen. Das muss niemand wissen, dass ich das tue. Viele Freunde wissen das auch nicht, dass ich das mache. Ich möchte mich nicht dadurch profilieren, dass ich das tue, sondern ich möchte es einfach machen, weil ich Bock drauf habe. Und das wars.
Interviewer:in: Es gibt ganz schön viele Stolpersteine in Berlin, da hast du dir ganz schön viel vorgenommen.
Ich glaube Schöneberg hat an die 6.000. Ich bin mir nicht ganz sicher.
Interviewer:in: Naja, der Lockdown ist ja noch ein bisschen
Verfasserin: Genau. Ich glaube bisher habe ich tatsächlich nur so 160 oder so Steckbriefe aufgehangen. Ich hab mir mehr vorgenommen, tatsächlich, dass ich pro tag so mindestens einen schreibe und das wären dann so 60 Personen, die - meistens sind es zwei Personen auf einem Steckbrief, weil das Mann Frau waren, dann ähnelt sich die Geschichte eigentlich - Das sind circa 300 Personen, die auf den Zetteln, also von denen die Teilbiografie zu finden ist. Ja, 6.000 ist eine Nummer.
Ich muss erst einmal alles zusammenfassen, weil die Teil-Biografien sind auf der Webseite meistens viel länger als das, was ich irgendwie auf ein DIN-A4 Papier bringe. Das Zusammenfassen, das dauert schon ein bisschen. Wobei ich jetzt ein System habe, wo ich ganz klar sage, was lasse ich drin und was nicht. Geburtsdatum lasse ich teilweise raus, weil das eben schon auf den Stolpersteinen vermerkt ist, den Geburtsort und sowas, das ist jetzt auch nicht superwichtig, das lasse ich teilweise auch schon raus und dann zu Schreiben: Ich hab jetzt nicht die schönste Schrift und das Schreiben geht eigentlich relativ flink. Ich weiß nicht, wie lange ich brauche, so pro Steckbrief 45 Minuten. Wobei, das Laminieren, stimmt. Ich sage mal so eine Stunde ungefähr pro Steckbrief, ja, ich muss das noch laminieren.
Also ich muss sagen, meistens auf www.Stolpersteine-Berlin.de, Wobei mir auch aufgefallen ist, dass das teilweise nicht vollständig ist und dass ich dann irgendwie in einer Straße bin und mich dann super ärgere, weil ich alles fertig habe und dann entdecke ich noch irgendwie drei Personen, die hier mal gewohnt haben, die eben nicht auf der Seite standen, die man dann auf Wikipedia findet. Das heißt, ich muss dann nochmal schreiben und gehe meistens am nächsten Tag sofort hin, damit die Straße wieder vollständig ist. Das ist mir immer ganz wichtig, dass keine Person ausgelassen wird. Genau Wikipedia oder meistens www.stolpersteine-berlin.de. Die Hauptaufgabe ist ja quasi das Recherchieren der ganzen Geschichte. Das ist ja schon das Größte und es machen auch ganz viele tolle Leute. Ich habe auch schon versucht, mich da irgendwie ein bisschen einzubringen, aber die Antworten leider nicht auf meine E-Mails.
Ich finde es auch ganz toll, dass es diese Webseite gibt. Und dass Menschen auch wirklich so viel Arbeit und Zeit investieren um in den ganzen Archiven zu recherchieren, was passiert ist, bzw. Familienmitglieder das Zusammentragen, veröffentlichen. Und das ist ja irgendwie die Hauptarbeit. Und das für Personen, die eben keine Zeit haben oder die nicht wissen, dass das geht, sichtbar zu machen, finde ich für mich ganz wichtig.
Das ist nicht so mein Ding. Ich mag so Gruppenarbeit nicht. Es kommt auch durch die Kunst-Uni, weil es da immer so viele Diskussionen in der Gruppe gab, dass mich das irgendwie abschreckt und ich ganz froh bin, wenn ich das alleine planen kann. Aber ich wäre nicht abgeneigt, wenn noch mehr Personen sagen , würden 'ich möchte das auch machen', dann sollen die das einfach machen, vielleicht in ihrem Stadtteil und die können das auch auf ihre Art und Weise machen. Die können das machen, was sie wollen. Aber ich möchte eigentlich glaub ich, weiterhin alleine arbeiten.
Interviewer:in: Ich kann mir vorstellen, dass das auch irgendwie Nachahmer:innen hervorruft. Und du hast ja auch gesagt, du hast irgendwie jemanden gesehen, der das schon mal gemacht hat und hast dann gedacht, du machst das größer.
Genau. Nee, ich hoffe, dass das andere Person auch machen, das wäre superschön, wenn das so wäre.
Benutzt einen guten Stift da nicht verblasst, tackert das in die Hauswand und benutzt keinen Kleber, weil kein Kleber ist gut genug für die Witterung da draußen. Das funktioniert nicht. Was noch? [...] Wenn keine Biografie vorhanden ist und da liegt ein Stolperstein, dann recherchiere ich selbst nach gewissen Daten. Es ist ja quasi immer ganz oft klar, in welchem Zug die Personen saßen. Dann sieht man auch den Verlauf wo die Personen hin transportiert wurden. Und genau das versuch ich dann aufzuschreiben. Also ich finde es wichtig, dass keine Personen, nur weil da keine Teil-Biografie zu finden ist, vernachlässigt wird, sondern jeder gleich behandelt wird 
und nicht erwischen lassen!
Das ist immer ganz lustig, wenn es irgendwie ein Restaurant ist und die Menschen sitzen draußen - ich habs im Sommer gemacht - Und die sitzen draußen und die gucken alle, aber keiner traut sich was zu sagen. Es war nur ein Mann, der mich hergerufen hat. Das war so ein Mann, der saß da irgendwie beim Mexikaner und schaut mich so an, ich lauf an dem vorbei und er hält mich fest und sagt: 'Hey, was machst du denn da?' Dann habe ich es ihm erzählt und dann meinte er nur so: 'Das ist aber nicht sehr nachhaltig mit dem Plastik. Dafür gibt es doch schon Stolpersteine, die liegen da doch schon' Naja gut, egal. Aber genau: nicht erwischen lassen und am besten immer sofort eine Straße vollenden und dann aufhängen. Das spart Zeit und das war's.
Interviewer:in: Cool. Eine coole Aktion. Auf jeden Fall.